Naturschutzgebiete

Die Naturschutzgebiete "Grainberg-Kalbenstein und Ruine Homburg" gehören zu den einmaligen, unersetzlichen und eindrucksvollsten Trockenrasengebieten Unterfrankens, Bayerns und Deutschlands. Wegen des enormen Artenreichtums und dem Vorkommen endemischer Arten sowie endemischer Pflanzengesellschaften erlangen sie auch mitteleuropäische Bedeutung.

Wegen der geologischen Sondersituation in Zusammenhang mit dem günstigen Klima und den geringen Niederschlägen zählen sie zu den wenigen Gebieten Deutschlands mit natürlichen Trockenrasen, d.h. ein großer Teil der Trockenrasen kann von Gehölzpflanzen nicht besiedelt werden und diese sind daher nicht anthropogener Natur. Solche natürlichen Felsstandorte werden häufig - wegen ihres isolierten Vorkommens - von Arten besiedelt, die Relikte früherer Klimaperioden darstellen. Durch meist extensive Nutzungsformen an den Randbereichen der natürlichen Trockenrasengebiete hat sich ein ausgedehnter Komplexlebensraum aus Felsfluren, Schotterflächen, Voll- und Halbtrockenrasen, thermophilen Gebüschen, Steppenheidewäldern, aber auch kleinparzellierte Weinberge und Kalkscherbenäcker auf Grenzertragsstandorten entwickelt. Das Arteninventar ist ebenfalls einmalig, beginnend von zahlreichen Pflanzen- und Tierarten, die hier ihren nördlichen Arealrand erreichen. Durch das lange Offenliegen der Hangpartien konnten sich sowohl endemische Pflanzenarten wie auch Pflanzengesellschaften entwickeln. Hierzu zählen das weltweit nur an zwei Stellen vorkommende Kalmut-Habichtskraut (Hieracium schmidtii ssp. kalmutinum) sowie die beiden endemischen Pflanzenformationen, der Faserschirm-Erdseggen-Trockenrasen (Trinio-Caricetum) und der Mainfränkische Gamander-Blaugrasrasen (Teucrio-Seslerietum). Von herausragender Bedeutung für den Biotop- und Artenschutz sind die Flechten- (und Moos- ) gesellschaften in den Lücken der Trockenrasen mit insgesamt 98 Flechtenarten (davon 40% bedroht) und 70 Moosarten (davon 47% bedroht).

Im Zusammenhang mit 530 nachgewiesenen Gefäßpflanzen, von denen 108 entweder auf der Roten Liste Deutschlands, Bayerns oder Unterfrankens geführt werden, haben die Gebiete des NSG "Grainberg -Kalbenstein und Ruine Homburg" aus Sicht der Flora internationale Bedeutung.

Zahlreiche nur in ausgesprochenen Wärmegebieten lebende Tiere, insbesondere aus der Gruppe der Insekten, finden in den Naturschutzgebieten eines ihrer letzten Rückzugsgebiete. Dies gilt z.B. für mehrere Arten, die auf der Roten Liste in den Kategorien "vom Aussterben bedroht" oder "stark bedroht" eingestuft sind. Beispiele hierfür sind der Schmetterlingshaft (Libelloides longicornis), der Lauer (Tibicen haematodes), die Italienische Schönschrecke (Calliptamnus italicus), der Schwarzfleckige Grashüpfer (Stenobothrus nigromaculatus), der Erdbockkäfer (Dorcadion fulminator), die Rote Mordwanze (Rhinocoris iracundus), der Segelfalter (Iphiclidespodalarius), die Berghexe (Chazara briseis), die Rostbinde (Hiparchia semele) und der Waldportier (Brinthesia circe). Auch aus anderen Tiergruppen, wie die der Spinnen, der Landmollusken, der Vogelwelt und den Reptilien sind zahlreiche vom Aussterben bedrohte Arten aus dem Schutzgebiet bekannt.

Insgesamt haben die Naturschutzgebiete sowohl regionale, wie landes- und bundesweite Bedeutung für den Fortbestand zahlreicher Tierarten. Aufgrund der Anhäufung von Tierarten, die hier ihre absolute Nordgrenze erreichen, ist eine mitteleuropäische Bedeutung vorhanden.

Wanderung im Naturschutzgebiet Grainberg-Kalbenstein

Info zu Führungen

 


Artikel Mainpost 2006

KARLSTADT - Ein Hauch von Alpen und Mittelmeer

Ein Frühsommer-Sonntag. Unterwegs vom Saupurzel, dem Hausberg von Karlstadt in Richtung Gambach. An der Strecke liegt auch das Gebiet Grainberg-Kalbenstein. Wer das Extreme liebt, kann Alpen-Gefühle mitnehmen und sollte festes Schuhwerk anziehen. Das ist gar nicht übertrieben.

Am Kalbenstein, wo in den Felsen auch der Uhu nistet, gibt es sogar einen Mini-Klettersteig. Der liegt im Steil-Fels und führt von der Falteshütte des Deutschen Alpenvereins hoch zum „Edelweiß“. Von dort hat man einen herrlichen Blick über den Main nach Karlstadt. Auf der anderen Seite verschwindet der Main in den Waldgebieten des Spessarts.

Es wäre unfair, jetzt den Begriff des schönsten Höhenwanderwegs in Unterfranken zu strapazieren. Jeder Wanderer hat so seine Vorlieben. Aber auf diesen wenigen Kilometern von Karlstadt bis Gambach sind Naturlandschaften vereint, die den Wanderer vom Landschaftsbild und von der Vegetation immer wieder an einen Urlaub im Süden erinnern. Absolut einmalig, in diesem großen Zusammenhang sogar Europa weit.

Wir sind mit den Experten vom Naturschutz der Regierung von Unterfranken, dem Leiter der Abteilung Naturschutz, Jörg Steinhoff, und dem Sachbearbeiter Manfred Mack unterwegs, einem Naturschützer aus Leidenschaft. Sie haben den Überblick über die naturnahen und geschützten Gebiete Unterfrankens. Zu ihren Favoriten gehört mit Sicherheit dieses Gebiet der Extremstandorte. Diese Kulturlandschaft der Karlstadter Trockengebiete steht wegen ihrer großen Geschlossenheit, die sonst nirgends zu finden ist, auch unter europäischem Schutz, daraus fließen auch Geldmittel. Das Besondere in dem ganzen Bereich sind die geologischen Verhältnisse im Zusammenhang mit Böden und Klima.

 

Ein einmaliger Niederwald

Das Felsband aus Kalk-Gestein beginnt eigentlich schon bei Veitshöchheim, von wo es sich wie eine Perlenkette aus Fels und Schutthalden bis Karlstadt hinzieht. Dort am „Saupurzel“, mit reichlich ausgewiesener Park-Möglichkeit, beginnt dann in Richtung Gambach ein echtes Konzentrat an einmaliger Natur. Für Geologen ebenso wertvoll wie für Botaniker. Die echten Liebhaber und Experten kennen Stellen, wo sie Trockenpflanzen wie das Frühlings-Adonisröschen oder den Diptam finden, seltene Schmetterlinge entdecken oder die Heidelerche singen hören.

Wer die Landschaft und Natur zwischen Karlstadt und Gambach beschreiben wollte, bräuchte ein Buch. Hier bietet die Botanik Vieles, was sonst im Mittelmeerraum oder in den Alpen heimisch ist. Typisch sind die Kalk-Trockenrasen mit immer neuen Überraschungen während der ganzen Vegetationsperiode. Außergewöhnlich sind die Flächen mit Steppen-Heidewäldchen oder das „Rosenholz“, ein einmaliger Niederwald mit ungeheurer Artenvielfalt.

Etwas abseits wird seit drei Jahren ein Experiment gepflegt, weil die Fachleute davon ausgehen, dass hier sogar noch ökologische Elemente aus der Eiszeit überlebt haben. Es ist ein Flugsand-Bereich weit hinter dem Sportflugplatz von Karlstadt. Dem Laien mag das unauffällige Fleckchen zunächst wenig attraktiv erscheinen. Um so mehr Wert hat es für die Botaniker. Da hatte man wirklich Ur-Gräser entdeckt, über das „Öko-Konto“ der Stadt Karlstadt die Flächen erweitert und teils durch Boden-Abtrag Urböden wieder offen gelegt. Manfred Mack war von diesem Experiment, das seit drei Jahren läuft, überrascht. „Ur-Natur“ kam erfreulicherweise schneller zurück, als die bürokratischen Wege gedauert hatten. Jetzt gilt der Kampf eher den neuzeitlichen pflanzlichen Einwanderern, den Neophyten, die ständig beseitigt werden müssen, weil sie mit den heutigen Bedingungen besser zurecht kommen und die urzeitlichen Gräser schnell wieder verdrängen würden.

 

Suche nach neuen Lösungen

Doch das sind für die Naturschützer nur interessante Nebenschauplätze. Obwohl eine ausgezeichnete Wegeführung angeboten wird, von der aus man fast alle Schätze dieser Natur bewundern kann, gilt es permanent neue Lösungen zu finden, wie die Ansprüche einer Freizeitgesellschaft mit dem Naturschutz in Einklang zu bringen sind. Dabei ist der größte Feind die Unvernunft der Leute. Radfahrer halten sich nur ungern an Markierungen. Oft braucht es besonders massive Sperren. Ein Ärgernis sind Hundebesitzer, die ihre Tiere selbst zu den Zeiten nicht an die Leine nehmen, wenn Wildtiere Nachwuchs haben. Dass sie dann eines besonderen Schutzes bedürfen, gehört doch zu den Binsenweisheiten.

„Es gibt ein Umdenken, dafür muss man sich aber intensiv mit dem Bürger auseinandersetzen“

Manfred Mack, Naturschützer bei der Regierung von Unterfranken

Gerade an dieser geschützten Strecke zwischen Karlstadt und Gambach können Jörg Steinhoff und Manfred Mack besonders überzeugend demonstrieren, dass es ihnen und ihrer Behörde nicht darauf ankommt, die Bevölkerung aus den Schutzgebieten zu sperren. Gemeinsam ist sehr viel Nutzung möglich, wenn man sich an Spielregeln hält.

So quert man kurz nach dem „Saupurzel“ den Karlstadter Sportflugplatz. Mit einem gemeinsam ausgehandelten Nutzungsvertrag ist der Flugbetrieb umweltverträglich möglich.

 

Tunnel als Rettung

Nur wenig später stößt der Wanderer auf ein schwierigeres Kapitel der Jahrzehnte langen Schutz-Bestrebungen. Der Wellenkalk ist das ideale Ausgangsgestein für die Zementherstellung, die gerade für Karlstadt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Als die Firma Schwenk oberhalb des Naturschutzgebietes einen neuen Steinbruch eröffnete, sollte eine offene Straßen-Trasse zum Abtransport ins Zementwerk durch das Schutzgebiet ins Tal geschlagen werden. Es wäre völlig zerschnitten worden. Nach zähen Verhandlungen und unter Einschaltung der Gerichte wurde für mehr als eine Million Euro ein Tunnel gebaut.

Kurz vor dem steilen Abhang des Kalbenstein dürfen an einer Stelle auch weiterhin die Drachenflieger ihrem Sport frönen. Auch hier wurde eine Vereinbarung getroffen, die beiden Interessen Rechnung tragen soll.

Druck von allen Seiten, daran ist Manfred Mack gewöhnt. Der kommt auch von Politikern, die sich immer wieder als Lobbyisten von Interessengruppen hergeben, ob Wirtschaft, Landwirtschaft, Winzer oder Jäger. Da gibt es für die Naturschützer immer wieder auch Rückschläge. Mack sieht aber auch einen Wandel im Denken der Bevölkerung, „dafür muss man sich aber mit dem Bürger intensiv auseinander setzen“. Es gibt aber auch vor Ort viele Mitstreiter, die Mut machen, wie den Karlstadter Franz Dunkel, der sich den Schutz der Karlstadter Trockengebiete zu einer Lebensaufgabe gemacht hat.

Quelle: Mainpost

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